Nachhaltige Ernährungssysteme partizipativ gestalten

Die Schweiz importiert rund die Hälfte ihrer Lebensmittel und Futtermittel aus dem Ausland. Wie wir uns ernähren, beeinflusst die Landwirtschaft und Gesellschaft in anderen Ländern. Die Schweiz ist ein globaler Handelsplatz für Agrarrohstoffe und Agrar-Inputs. Sie prägt damit die Rahmenbedingungen für Ernährungssysteme in anderen Ländern und trägt zu einer grossflächigen, input-intensiven und hoch-technologisierten Landwirtschaft bei. Damit wird die Biodiversität weiter gefährdet und die Umwelt belastet. Durch Land-Grabbing und ungerechte Marktstrukturen geraten Kleinbäuerinnen und Kleinbäuerinnen im Süden auch zunehmend unter Druck, mit verheerenden Folgen auf Arbeitsplätze und Ernährungssicherheit.

Unser aktuelles Ernährungssystem schafft Ungleichheiten in anderen Ländern. Weltweit werden genügend Kalorien produziert, um auch eine steigende Weltbevölkerung zu ernähren. Doch werden diese Kalorien teilweise als Tierfutter, Bioenergie oder industrieller Rohstoff exportiert und der hungernden Bevölkerung entzogen.

Um die Ungleichheiten zu beseitigen, muss das bäuerliche Einkommen verbessert werden. Auch in der Schweiz kämpfen viele Höfe ums Überleben. Die Agrarökologie bietet dafür einen erprobten Ansatz, der sowohl die Gesundheit der Ökosysteme und der Biodiversität schützt wie auch die Lebensrealität der Bäuerinnen und Bauern verbessert und ihre rechtliche Situation und Mitbestimmung stärkt. Inzwischen bezeichnet auch der Bundesrat die Agrarökologie als zielführenden Ansatz.

Die Handelspolitik der Schweiz erschwert den Aufbau von nachhaltigen Ernährungssystemen in Partnerländern. Zwar wurden im Freihandelsabkommen mit Indonesien unter massivem Druck aus der Zivilgesellschaft erstmals verbindliche Nachhaltigkeitskriterien aufgenommen. Hingegen ist im Abkommen mit Mercosur, das derzeit in der Schlussphase verhandelt wird, lediglich ein unverbindlicher Nachhaltigkeitsdialog vorgesehen. In bilateralen Handelsverträgen insistiert die Schweiz auf strengen intellektuellen Eigentumsrechten auf Saatgut. Damit zwingt die Schweiz ihre Partnerländer dazu, das bäuerliche Recht auf Saatgut zu verletzen. Die vielfältigen, bäuerlichen Saatgutsysteme sind Garant für Ernährungssicherheit und biologische Vielfalt. Sie müssen anerkannt und langfristig gestärkt werden.

Der vom Bundesrat ausgearbeitete Vorschlag für die künftige Agrarpolitik (AP22+) wurde vom Parlament sistiert. Dieser Rückschlag bietet aber auch die Chance, sie in einem neuen Anlauf auf eine umfassende Ernährungspolitik auszuweiten und sie auf die Agenda 2030 auszurichten.

Forderungen

  • Der Bund erarbeitet unter Einbezug der Menschen, welche im Ernährungssystem als Akteur:innen auftreten, eine transformative Ernährungspolitik. Diese definiert Zwischenziele, Massnahmen und Ressourcen.
  • Die Schweiz verfolgt national und international einen agrarökologischen Ansatz, gemäss der Definition der FAO. Sie stellt dabei die politischen und sozio-ökonomischen Aspekte der Partizipation und bäuerliche Rechte in den Vordergrund. Eine «nachhaltige» oder «ökologische» Intensivierung und die Förderung gentechnisch veränderter Organismen lehnt sie ab.
  • Die Schweiz reduziert ihre Abhängigkeit von importierten Inputs wie Futtermittel und Mineraldünger. Sie fördert eine standortangepasste Landwirtschaft.
  • Bund und Kantone fördern nachhaltige Ernährungsgewohnheiten, insbesondere eine fleischarme Ernährung. Kantinen der öffentlichen Hand gehen mit gutem Beispiel voran. Die Absatzförderung für tierische Produkte wird gestoppt.
  • Bund und Kantone kommen ihrer Verpflichtung aus der Biodiversitätskonvention nach und schaffen Subventionen und Anreize mit biodiversitätsschädigender Wirkung ab.
  • Künftige bilaterale Handelsverträge enthalten verbindliche Nachhaltigkeitskriterien. Sie verzichten auf Vorgaben, wie die Partnerstaaten das intellektuelle Eigentumsrecht (insbesondere Sortenschutz) auf Saatgut zu regeln haben.
Schassmann Eva
Autor:innen

Eva Schmassmann

In Zusammenarbeit mit Daniel Langmeier, Biovision, Friedrich Wulf, Pro Natura, Simon Degelo, Swissaid

Bericht als PDF

SDG 2 (PDF)

Weiterführende Literatur

Dieses Kapitel spricht Verbindungen zu folgenden SDGs an: