Alle Politikbereiche auf nachhaltige Entwicklung ausrichten

Im letzten der 17 Ziele der Agenda 2030 werden die Rahmenbedingungen genannt, die für die Erreichung aller Ziele notwendig sind. Neben Finanzierung durch Steuereinnahmen und der Verringerung der Staatsverschuldung vor allem in den Ländern des Südens werden Ziele für die Handelspolitik, Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung und Partnerschaften formuliert.

Der finanzielle Spielraum zahlreicher Staaten mit tiefen und mittleren Einkommen wird durch ihre Verschuldung stark eingeengt. Dies zeigte sich insbesondere in der Coronapandemie: Während der Bundesrat 2020/21 zusätzliche Ausgaben von über 50 Milliarden Franken bewilligte, mussten 83 Länder inmitten der Pandemie ihre Ausgaben kürzen, um Schulden zurückzahlen zu können. Selbst in dieser ausserordentlichen Krise waren reiche Gläubigernationen und private Kreditgeber (z.B.  Schweizer Banken und Rohstoffhändler) nicht bereit, Schulden angemessen zu stunden oder zu erlassen.

Ausländische Direktinvestitionen können einen Beitrag an gewisse SDG-Finanzierungen leisten. Doch können sie auch den Handlungsspielraum eines Landes, Gesetze zum Schutz seiner Bevölkerung und der Umwelt zu erlassen, einschränken. So verklagte kürzlich Glencore den Staat Kolumbien und berief sich dabei auf die Nichteinhaltung des Investitionsschutzabkommens zwischen Kolumbien und der Schweiz. Das kolumbianische Verfassungsgericht hatte den Ausbau der Kohlemine Cerrejón sistiert, da die negativen Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung und die Umwelt nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Die von reichen Ländern bereits 1970 versprochene Erhöhung der Entwicklungsgelder auf 0.7% ihrer Wirtschaftsleistung wurde bis heute nicht realisiert. Der Schweizer Anteil stagniert seit Jahren bei knapp 0.5%. Ein steigender Anteil davon wird in Klimaschutzprojekte investiert, statt in die unmittelbare Bekämpfung von Armut. Ein steigender Anteil davon wird in Klimaschutzprojekte investiert. Damit reduzieren sich die Mittel, die für die unmittelbare Bekämpfung von Armut zur Verfügung stehen.

Partnerschaften mit dem Privatsektor und international tätigen Firmen werden bisher ungenügend dahingehend überprüft, ob sie nachhaltige Entwicklung tatsächlich umfassend fördern und beispielsweise Gewinne dort versteuern, wo die Wertschöpfung entsteht.

Auch die Handelspolitik der Schweiz ist ungenügend auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtet. So enthalten Freihandelsabkommen zwar seit einigen Jahren Nachhaltigkeitskapitel. Doch bleiben diese meist unverbindlich. Stattdessen verlangt der Bundesrat von Partnerländern, dass sie strengen intellektuellen Eigentumsrechten auf Saatgut zustimmen und dadurch das bäuerliche Recht auf Saatgut verletzen. Die Schweiz verteidigt einen starken Patentschutz auf Covid-Impfungen und Arzneimittel und behindert damit den Schutz der Gesundheit weltweit. Immerhin hat der Bundesrat zugestimmt, in Zukunft Nachhaltigkeitsprüfungen bei Freihandelsabkommen durchzuführen. Er willigt damit ein, nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Menschenrechte zu überprüfen. Erste Ergebnisse stehen noch aus.

Anpassungen in all diesen Politikbereichen – Steuer- und Finanzpolitik, Handelspolitik – sind notwendig, um die Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung zu verbessern. Dieses zentrale Ziel im SDG 17 fordert, dass alle politischen Entscheide globale, nachhaltige Entwicklung ermöglichen sollen. Der Spillover Index des globalen Nachhaltigkeitsnetzwerks SDSN misst, wie stark die Politik eines Landes zu negativen Effekten in anderen Ländern führt. Die Schweiz liegt auf dem unrühmlichen fünftletzten Platz, lediglich die Vereinigten Arabischen Emirate, Luxemburg, Guyana und Singapur sind schlechter platziert.

Forderungen

  • Der Bund analysiert die Auswirkungen der Schweizer Steuergesetze auf Länder des globalen Südens.
  • Der Bund veröffentlicht gesammelte Daten zu den globalen Strukturen und wirtschaftlicher Kennzahlen der Konzerne («public Country-by-Country-Reporting») und stellt dort Transparenz her, wo diese zur Aufdeckung anderer unlauterer Finanzflüsse beitragen kann. 
  • Die Schweiz richtet ihre Handelspolitik so aus, dass sie ihren Menschenrechtsverpflichtungen gegenüber Menschen im Ausland nachkommt, insbesondere bezüglich Recht auf Gesundheit und Recht auf Nahrung.
  • Die Schweiz verhandelt ihre Investitionsschutzabkommen neu. Sie schützt Investitionen nicht länger vor neuen und wichtigen Regulierungen zum Schutz von Umwelt, Gesundheit und anderen menschenrechtlichen Verpflichtungen.
  • Künftige bilaterale Handelsverträge enthalten verbindliche Nachhaltigkeitskriterien. Sie verzichten auf Vorgaben, wie die Partnerstaaten das intellektuelle Eigentumsrecht (insbesondere Sortenschutz) zu regeln haben.
  • Die Schweiz erhöht ihre Entwicklungsgelder mindestens auf die vereinbarten 0.7% des Bruttonationaleinkommens.
  • Die Schweiz setzt sich aktiv und konstruktiv ein für einen nachhaltigen Entschuldungsprozess in hoch verschuldeten Ländern des globalen Südens.
  • Die Schweiz macht Partnerschaften mit dem Privatsektor (Public Private Partnerships) abhängig von wirksa­men Prozessen der Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechten, Umweltrisiken und Steuer­praktiken. Sie ergreift wirksame Massnahmen, um eine Verdrängung oder Konkurrenzierung von lokalen Firmen im globalen Süden zu verhindern.
Schassmann Eva
Autor:innen

Eva Schmassmann

In Zusammenarbeit mit Isolda Agazzi und Dominik Gross, Alliance Sud, Patrik Berlinger, Helvetas

Bericht als PDF

SDG 17 (PDF)

Weiterführende Literatur

Dieses Kapitel spricht Verbindungen zu folgenden SDGs an: