Wem gehört die Stadt?

Eine nachhaltige Stadt ist an den Klimawandel angepasst. Begrünte Flächen und Fassaden kühlen an heissen Tagen. Als “Schwammstadt” vermag sie grosse Wassermengen nach heftigen Regenfällen im Boden aufzunehmen und für trockene Tage zu speichern. Sie heizt den Klimawandel nicht weiter an und stösst nicht mehr Treibhausgase aus, als sie auch wieder der Atmosphäre entnehmen kann. Bestehende Bausubstanz wird wiederverwendet, Rohstoffe im Kreislauf gehalten. Sie bringt verschiedene Ansprüche nach Wohnen, Arbeit, Freizeit und Mobilität unter einen Hut, bietet für verschiedene Lebensrealitäten kurze Wege und ist für alle zugänglich. Für die Weiterentwicklung der Stadt und neue Projekte nimmt sie die Bedürfnisse der Anwohner:innen ernst und beteiligt sie. Ihre Bewohner:innen widerspiegeln die gesellschaftliche Vielfalt und finden erschwinglichen, den Bedürfnissen angepassten Wohnraum. Die nachhaltige Stadt ist nicht abhängig von wenigen grossen Firmen als Steuerzahlende oder Anbieterin von Arbeitsplätzen.

2015 lebten über 80% der Schweizer Bevölkerung in Städten. Ihre Realität ist noch weit von dieser Vision entfernt: Versiegelte Böden, asphaltierte Strassen und zu wenig Grünflächen führen dazu, dass sich an heissen Tagen regelrechte Hitzeinseln bilden. Rund 60% der Verkehrsflächen sind für den motorisierten Individualverkehr reserviert. Damit werden Menschen privilegiert, die sich ein Auto leisten können. In vielen Städten besitzt die Mehrheit der Bewohner:innen kein Auto. Für städtische Distanzen stehen mit öffentlichem Verkehr, dem Fuss- und Veloverkehr emissionsarme Alternativen zur Verfügung, die stärker gefördert und für alle zugänglich gestaltet werden müssen.

Viele Haushalte mit tiefen Einkommen können sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten. Ihre Mieten überschreiten 30% der Haushaltseinkommen. Sie werden aus der Stadt gedrängt. Doch auch der Mittelstand wird immer mehr verdrängt. Ohne wirksamen Mieter:innenschutz besteht die Gefahr, dass Vermiter:innen das berechtigte Anliegen für Klimaschutz und energetische Sanierungen missbrauchen, um über Leerkündigungen und anschliessende ungerechtfertigte Mieterhöhungen ihre Rendite zu erhöhen.

Der aktuelle Standortwettbewerb setzt falsche Anreize. Städte spezialisieren sich und werben um neue Firmen. Die grosse Konzentration an Arbeitsplätzen in wenigen Standorten kurbelt jedoch die arbeitsbedingte Mobilität an. Eine bessere Verteilung der Firmen und Arbeitsplätze auf verschiedene – auch kleinere Städte – würde helfen, die Wege kurz zu halten.

Bei der Stadtentwicklung müssen die ungleichen Machtverhältnisse angegangen werden. Zwar werden Mitwirkungsverfahren durchgeführt. Diese funktionieren jedoch vor allem bei kleinen Projekten im Quartier. Sobald grosse Investitionen und Profite im Spiel sind, ziehen Bewohner:innen und Betroffene eines Bauprojektes im politischen Prozess den Kürzeren.

Forderungen

  • Städte entwickeln ihre eigene Klimastrategie. Sie setzen sich das Ziel, vor 2040 klimaneutral zu werden und ergreifen die entsprechenden Massnahmen.
  • Bund, Kantone und Städte ergreifen Massnahmen, um die energetische Sanierungsrate bei Gebäuden zu erhöhen. Sie stellen mit wirksamen Massnahmen wie einem Wohnschutz und Mietzinskontrollen sicher, dass bezahlbarer Wohnraum geschützt wird und dass es in der Folge nicht zu Massenkündigungen und übermässigen Mieterhöhungen kommt. Sie erhalten den indentitätstiftenden Charakter der Quartiere.
  • Kantone und Städte fördern die Kreislaufwirtschaft im Bausektor. Sie definieren Ziele zur Reduktion des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes und tragen der grauen Energie Rechnung.
  • Städte investieren in die Entsiegelung und Begrünung von Flächen. Bei Belagssanierungen und Strassenumbau wird so viel Fläche wie möglich entsiegelt.
  • Die Städte fördern eine flächeneffiziente Mobilität, die platzsparend, umweltverträglich und zugänglich
  • Bund, Kanton und Städte stellen sicher, dass benachteiligte Bevölkerungsgruppen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum haben.
  • Bei Planungsprozessen werden zu Beginn die Bedürfnisse abgeklärt. Diejenigen, die im Alltag von Änderungen betroffen sind, werden mit wirksamen Mitbestimmungsverfahren von Beginn an einbezogen und entscheiden bei der Planung und Umsetzung mit.
Schassmann Eva
Autor:innen

Eva Schmassmann

In Zusammenarbeit mit Patrizia Bernasconi, Mieterinnen- und Mieterverband Basel Stadt, Tonja Zürcher, umverkehR

Bericht als PDF

SDG 11 (PDF)

Weiterführende Literatur

Dieses Kapitel spricht Verbindungen zu folgenden SDGs an: