Die blinden Flecken des Bundesrats

4. Mai 2022 | Aktualität, Stellungnahme

Mitte Juli wird die Schweiz ihren Fortschrittsbericht zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung vor der UNO in New York präsentieren. Heute hat der Bundesrat diesen Bericht verabschiedet. Zwar identifiziert er zu jedem der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) Fortschritte und Herausforderungen, doch zeigt er sich blind gegenüber zentralen Baustellen. Zudem fehlt eine klare Aufzählung dessen, was in den nächsten acht Jahren zu tun bleibt. Ende Juni wird die Plattform Agenda 2030 einen zivilgesellschaftlichen Bericht veröffentlichen, der einige der blinden Flecken des Bundesrats ausleuchten wird.

Für die Plattform Agenda 2030 – ein Zusammenschluss von mehr als 50 Organisationen aus den Bereichen Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechte, nachhaltiges Wirtschaften, Gender, Frieden, Wohnen und Arbeiten – geht der bundesrätliche Bericht zentrale Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung durch die Schweiz nicht an. Zwar anerkennt er, dass in verschiedenen Bereichen die Entwicklung in die falsche Richtung geht. So stieg die Armut in der Schweiz seit 2014 von 6.6% auf 8.5% der Bevölkerung an. Mehr als 30% der Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz sind bedroht. Der Bundesrat stellt selbst fest, dass die bestehenden Mittel und Massnahmen nicht ausreichen, um die biologische Vielfalt wirksam zu schützen.

Doch zentrale Baustellen blendet er aus: So verliert er über den durch unseren Konsum verursachten Wasser-Fussabdruck im Ausland kein Wort, oder fokussiert beim Thema nachhaltige Infrastruktur allein auf den Aufbau einer widerstandsfähigen Infrastruktur, die dem Klimawandel standhält. Die vorhandenen Defizite bezüglich barrierefreier Zugänglichkeit von Bauten und Anlagen werden indes mit keinem Wort erwähnt.

Der bundesrätliche Bericht misst den Fortschritt bezüglich der von ihm selbst festgelegten Zielen. Diese sind jedoch oft massiv weniger ambitioniert als die 17 SDGs und ihre Unterziele, für die sich die Schweiz 2015 zusammen mit 192 Staaten bekannt hat. Die gewählte Darstellung der Indikatoren lässt ausserdem nur eine Bewertung in positiver oder negativer Richtung zu, nicht aber, wie weit wir vom Ziel entfernt ist. So sieht uns z.B. der Indikator zum Materialfussabdruck auf dem richtigen Weg. Doch konnte dieser in 20 Jahren lediglich um 8% gesenkt werden.

Um die 17 SDGs zu erreichen ist eine klare Ausrichtung aller Politikfelder an den Zielen und der Ambition der Agenda 2030 notwendig. Wir fordern Strategien und Massnahmen, um die erkannten Defizite rasch anzugehen. Dazu gehört eine Strategie, die aufzeigt, wie die Armut in der Schweiz bis 2030 halbiert werden kann. Oder ein ambitionierter Aktionsplan Biodiversität, der ausreichend wirksame Massnahmen enthält und genügend Mittel zur Verfügung stellt, um den Verlust der Biodiversität bis 2030 zu stoppen. Notwendig sind auch Vorgaben an den Finanzmarkt, damit Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität beitragen, sowie ein verstärktes Engagement gegen eine Militarisierung und für zivile Friedensförderung.

 

Die Plattform Agenda 2030 erarbeitet dazu einen zivilgesellschaftlichen Bericht, der Ende Juni veröffentlicht wird.

Schassmann Eva
Eva Schmassmann

Plattform Agenda 2030

Portrait Pierre Zwahlen
Pierre Zwahlen

Präsident Plattform Agenda 2030

Dokumente

Die Zivilgesellschaft hat im 2018 einen Bericht verfasst: Wie nachhaltig ist die Schweiz?

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