Die Welt ringt um einen neuen Zukunftspakt

24. Feb 2024 | Aktualität, Institutionen, Politikkohärenz, Ressourcen

Diesen September lädt UNO-Generalsekretär Antonio Guterres in New York zum Zukunftsgipfel (Summit of the Future) ein. Nachdem er letztes Jahr zur Halbzeit feststellte, dass die Welt nicht auf Kurs ist, die SDGs und damit die Agenda 2030 zu erreichen, will er dezidiert die Richtung ändern. Der Pakt für die Zukunft (Pact for the Future) wird derzeit in der UNO verhandelt. Weist er den notwendigen Biss auf, um die Umsetzung der Agenda 2030 «back on track» zu bringen?

Der letztjährige UNO-Gipfel hat ein düsteres Bild gezeichnet: Lediglich 12% der Indikatoren sind „on track“: hier schreitet die Umsetzung der SDGs wie geplant voran, und bei gleichbleibendem Trend werden die entsprechenden Ziele erreicht. Bei 50% der Indikatoren geht die Entwicklung zwar in die richtige Richtung, aber zu langsam. 30% der Indikatoren weisen keine Fortschritte aus oder registrieren gar Rückschritte. Um das Steuer herumzureissen und die SDGs «back on track» zu bringen, lädt Guterres zu einem Zukunftsgipfel ein. Dieser findet im September in New York statt.

Die Aufgabe ist nicht einfach. In den letzten acht Jahren haben nationalistische und populistische Politiker:innen Zulauf erhalten. Multilaterale Bemühungen, die ein gemeinsames, international breit abgestütztes Vorgehen ermöglichen, haben es schwer. Dies zeigt sich auch in den Vorbereitungen für den Zukunftspakt, der am Zukunftsgipfel von allen Ländern verabschiedet werden soll. Bis Ende 2023 konnten sich die beteiligten Staaten lediglich auf die Überschriften der Kapitel des Pakts einigen. Dieser wird folgende Themen aufgreifen: 1) Nachhaltige Entwicklung und Entwicklungsfinanzierung, 2) Internationaler Frieden und Sicherheit, 3) Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie digitale Zusammenarbeit, 4) Jugend und zukünftige Generationen, 5) Transformation der globalen Gouvernanz.

Ende Januar veröffentlichten Deutschland und Namibia, welche die Verhandlungen leiten, einen ersten Entwurf des Pakts. Auf 20 Seiten werden Versprechen erneuert, bestätigt und bekräftigt. Teilweise sind diese Bekräftigungen höchst relevant, etwa wenn bestätigt wird, dass die SDGs ihre Grundlage in verbindlichen Menschenrechtsverträgen haben. Oder wenn die Aussage gemacht wird, dass wir Verantwortung für die Konsequenzen unseres Tuns, aber auch für unser Nichts-Tun auf zukünftige Generationen tragen.

Ungleichheit und soziale Innovation

Aus Sicht der Plattform fehlen zwei wichtige Punkte: so wird der steigenden Ungleichheit zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Der Pakt geht insbesondere auf die Klima- und die Biodiversitätskrise ein, die existenzielle Bedrohungen für die Zukunft der Menschen auf unserem Planeten darstellen. Doch auch steigende Ungleichheit hat das Potenzial, das Vertrauen in der Gesellschaft und in die Demokratie zu zerstören. Und damit die Grundlage inklusiver, nachhaltiger Gesellschaften.

Zweitens durchzieht den Entwurf ein Technologie-Optimismus, der die Erreichung der Ziele vor allem in technologischer Innovation sieht. Dieser einseitige Blick auf Technologie unterschätzt das Potenzial, das in sozialer Innovation liegt. Anstatt das Heil der Menschheit in neuen Technologien und im Weltraum zu suchen, sollten Forschung und Investitionen viel stärker auf Veränderung von nicht nachhaltigen Lebensstilen ausgerichtet werden. Mit dem Ziel, die Ressourcenübernutzung in unseren Gesellschaften zu reduzieren. Auch gilt es, bei neuen Technologien, beispielsweise dem im Pakt angesprochenen Potenzial im Weltraum, seriöse Folgeabschätzungen vorzunehmen und gemäss dem Vorsorgeprinzip zu agieren.

Guterres und die Verhandlungsleiter:innen haben die Herausforderung durchaus erkannt: ein weiteres Dokument mit leeren Versprechungen, dem keine Taten folgen, wird das Vertrauen in die UNO und multilaterale Prozesse schwächen. Dies wird in der Einleitung des Pakts auch offen angesprochen: mit dem Pakt will die internationale Staatengemeinschaft das Vertrauen wiedergewinnen. Guterres wagt den Balanceakt. Denn für viele konkrete Taten ist die UNO auf ihre Mitgliedsstaaten angewiesen. So müssen reiche Länder wie die Schweiz ihre Versprechen endlich erfüllen, 0.7% ihrer Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, und Klimagelder und Gelder für internationalen Biodiversitätsschutz aus neuen und zusätzlichen Quellen bereitstellen. Sie müssen klare Regeln für Konzernverantwortung setzen und die notwendigen Reformen für gerechte Steuer- und Handelspolitiken an die Hand nehmen. Und damit die Grundlage schaffen, dass Länder im globalen Süden über ausreichend staatliche Einnahmen und den nötigen Spielraum verfügen, um die SDGs umzusetzen.

«one country, one vote»

Als zivilgesellschaftliche Plattform engagieren wir uns, die notwendigen Veränderungen in der Schweiz voranzubringen. Wir stärken zivilgesellschaftliche Akteur:innen in Ländern des globalen Südens, die sich für die Umsetzung der SDGs in ihrem Land einsetzen und ihre Regierungen in die Pflicht nehmen. Und gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Netzwerken bringen wir uns auf internationaler Ebene ein, um die UNO als Akteurin für nachhaltige Entwicklung zu stärken und multilaterale Lösungen zu finden. Im Vergleich mit der OECD oder den Bretton Woods Institutionen bietet die UNO einen globalen Rahmen, in dem jedes Land vertreten ist und nach dem demokratischen Prinzip des «one country, one vote» mitbestimmt.

Portrait Eva Schmassmann
Eva Schmassmann

Plattform Agenda 2030

Tags

, , ,