Agenda 2030 und Klima

Eva Schmassmann, Plattform Agenda 2030 | Jürg Staudenmann, Alliance Sud

November 2019

Die UNO warnt, dass bei einer globalen Erderwärmung von über 1.5°C bis zu 400 Millionen mehr Menschen an Hunger leiden werden (SDG 2). 1 bis 2 Milliarden Menschen könnten Zugang zu sicherem Trinkwasser verlieren (SDG 6). Dies wird Frauen besonders treffen (SDG 5) und insbesondere Mädchen den Zugang zu Bildung erschweren (SDG 4). Ab 2030 rechnet die Weltbank mit jährlich 250000 zusätzlichen Todesopfern als Folge von klimabedingter Unterernährung, der Ausbreitung von Malaria und Durchfallerkrankungen oder durch Hitzestress (SDG 3).

Diese Zahlen zeigen: Nachhaltige Entwicklung und die Verwirklichung der SDGs sind nur möglich, wenn die Klimaerhitzung begrenzt werden kann! Gleichzeitig birgt der umfassende Ansatz der Agenda 2030 den Schlüssel, um die Klimaveränderung und deren negative Auswirkungen zu begrenzen.

Das steht in der Agenda 2030

SDG 13 verlangt umgehende Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen. Veränderungen im Klima- und Ökosystem behindern nicht nur die Verwirklichung vieler SDGs. Sie drohen bereits erzielte Fortschritte in der nachhaltigen Entwicklung zunichte zu machen. Weil die ärmsten Menschen der Weltbevölkerung sich am schlechtesten gegen die Klimakrise schützen können, wird bestehende Ungleichheit verschärft statt verringert (SDG 10). Es sind erhöhte Investitionen in klimaresistente Infrastruktur notwendig (SDG 9), die der gesamten Bevölkerung zugutekommt. Dies wird in Zukunft die Voraussetzung für eine stabile Wirtschaft mit produktiver, menschenwürdiger Arbeit (SDG 8) und für widerstandsfähige, sichere Städte (SDG 11) sein.

Und die Schweiz?

Während sich die Atmosphäre seit dem Beginn der Industrialisierung global um 1°C erwärmt hat, ist die Durchschnittstemperatur in der Schweiz bereits um 2°C gestiegen. Das hat einschneidende Veränderungen in Ökosystemen und einen steigenden Investitionsbedarf für Infrastrukturen zur Folge. Die Wissenschaft prognostiziert für die Schweiz zunehmende Trockenperioden und Hitzetage im Sommer. Die selteneren Niederschläge werden heftiger ausfallen und häufiger zu Hochwasser führen. Dafür muss mit zunehmend schneearmen Wintern gerechnet werden.

Unmittelbar betroffen davon sind besonders die Landwirtschaft (SDG 2), der Gesundheitssektor (SDG 3), die Wasser- (SDG 6) und die Energieversorgung (SDG 7). Aber auch Infrastrukturen für Verkehr, Wohnen, Freizeit und Tourismus (SDG 9) sowie Ökosysteme wie Wälder, Fluss- oder Feuchtgebiete (SDG 15), welche sich nur schwer an die raschen Veränderungen anpassen können, werden vermehrt in Mitleidenschaft gezogen werden. Generell werden Nutzungskonflikte um Ressourcen zunehmen. Auf Grund zunehmender Trockenperioden wird sich die Frage stellen, wie Wasser zwischen der landwirtschaftlichen Produktion, der Wasserkraft oder Kühlung von Kernkraftwerken, Transport und Freizeitansprüchen sowie dem Erhalt von wichtigen Ökosystemleistungen aufgeteilt werden soll.

Durch zunehmend globalisierte Wertschöpfungsketten und die fortschreitende Auslagerung ressourcenintensiver Produktionsschritte entsteht gemäss Bundesamt für Statistik mehr als 60% des Treibhausgas-Fussabdrucks im Ausland – Tendenz steigend. Unser Konsum verursacht weltweit Emissionen von rund 14 Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf und Jahr; das ist das Dreifache des globalen Durchschnitts. Innerhalb Europas liegt die Schweiz mit ihrem konsumbedingten Fussabdruck pro Kopf hinter Luxemburg und Belgien auf Platz 3. Unsere Ernährung macht mindestens 25% davon aus. Im Inland schlagen vor allem der Verkehr (ohne Flüge) mit der Treibhausgase zu Buche, Gebäude und die Industrie mit je ¼. Zwar überwiegt bei der Elektrizität die Produktion durch Wasserkraft. Zur Deckung des Gesamtenergiebedarfs (SDG 7) setzt die Schweiz aber immer noch zu 53% auf fossile Energien. Es gilt also, in allen Bereichen Alternativen zu entwickeln, damit die Agenda 2030 und die SDGs umgesetzt und gleichzeitig unsere Treibhausgasemissionen massiv reduziert werden können.

Hier besteht Handlungsbedarf

Im Verkehr konnten durch technische Entwicklungen zwar die Emissionen pro Kilometer reduziert werden. Unser Konsumverhalten (SDG 12) macht diese Effizienzgewinne jedoch wieder zunichte. Die Verkehrsemissionen nehmen insgesamt immer noch zu, weil immer schwerere Autos gekauft und längere Strecken gefahren werden. Im Gebäudebereich wurde der Energiebedarf durch Sanierungen und bessere Isolation gesenkt und gleichzeitig die Wohnqualität gesteigert (SDG 11). Einen wesentlich grösseren Beitrag könnte die Ernährung (SDG 2) leisten. Eine faire, nach ökologischen Kriterien gestaltete Landwirtschaft ist wichtig, um nicht nur das Klima, sondern auch Ökosysteme und Biodiversität zu schützen (SDG 15), Gesundheit (SDG 3) und Wasserqualität (SDG 6) nicht zu gefährden und den Produzent*innen ein sicheres Einkommen zu garantieren (SDG 8). Die Gebäudesanierung, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die ökologische Produktion von Lebensmitteln haben ihren Preis. Nur wenn die Massnahmen in der Klimapolitik sozialverträglich ausgestaltet werden, kann tatsächlich von nachhaltiger Entwicklung gesprochen werden.

Auf Grund der Grösse ihres Finanzplatzes verfügt die Schweiz über den grössten Hebel, um Einfluss auf den weltweiten Klimaschutz zu nehmen. 25% der Vermögen, die weltweit grenzüberschreitend verwaltet werden (sog. „Offshore-Gelder“), werden von Banken und Finanzinstituten in der Schweiz verwaltet. Die Investitionen in die Kohle-, Erdöl- und Erdgasindustrie von Schweizer Pensionskassen, Banken und Finanzinstituten übersteigen die inländischen Emissionen um das zwanzigfache. Die Nationalbank alleine befeuert durch ihre Investitionspolitik mit ihren Anteilen an Unternehmen wie Chevron, Exxon Mobil, Suncor Energy oder Conoco Phillips eine Klimaerhitzung von katastrophalen 4-6°C. Der Klimafussabdruck der Nationalbank allein ist gleich gross wie der gesamte, weltweite CO2-Fussabdruck der Schweiz. Eine Umlenkung sämtlicher Finanzflüsse in nachhaltige Investitionen und eine Ausrichtung an der Agenda 2030 und den Klimazielen von Paris ist daher überfällig.

Die Schweiz gehört zum reichsten Zehntel der Weltbevölkerung, welches für die Hälfte aller Treibhausgase weltweit verantwortlich ist. An den Folgen der Klimaveränderung leidet aber vor allem die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, die lediglich 10% der Emissionen verursacht; auch weil ihnen nicht annähernd dieselben Mittel zu Verfügung stehen, sich gegen die Klimakrise zu wappnen. Gemäss Verursacherprinzip verpflichtet das Pariser Klimaübereinkommen daher die wohlhabenden Länder, besonders betroffene Bevölkerungen des globalen Südens in der Prävention und Anpassung an die Klimaveränderung zu unterstützen. Gemäss Alliance Sud muss sich die Schweiz aufgrund ihrer Klimaverantwortung und Wirtschaftskraft mit mindestens 1 Milliarde Franken pro Jahr an der sogenannten internationalen Klimafinanzierung beteiligen.

Das fordern wir

Die Schweiz hat sich mit der Ratifikation des Pariser Klimaübereinkommens dazu verpflichtet, ihren gerechten Teil dazu beizutragen, die globale Klimaerhitzung auf möglichst 1.5°C zu begrenzen und die Folgen der Klimaveränderungen zu bekämpfen. Im August 2019 hat der Bundesrat beschlossen, dass die Schweiz bis 2050 «klimaneutral» sein soll: Dass also nicht mehr Treibhausgase ausgestossen werden dürfen, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden können.

Mit der Ratifikation der Agenda 2030 hat sich die Schweiz aber auch zu einer kohärenten Politik der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet: Die Massnahmen zur Erreichung einzelner Entwicklungsziele dürfen den grund-

legenden Prinzipien nachhaltiger Entwicklung nicht widersprechen und müssen im Einklang mit allen anderen SDGs stehen. Bei der Ausgestaltung von Politik und konkreter Massnahmen müssen dementsprechend die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Umwelt, Soziales und Wirtschaft –immer ausnahmslos und gleichberechtigt miteinbezogen werden.

Mit Bezug auf SDG 13 bedeutet das konkret:

  • Die Schweiz muss ihren CO2-Ausstoss im In- und Ausland rasch und massiv reduzieren. Der Bundesrat muss konkrete Massnahmen aufzeigen, mit welchen er das inländische Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen will. Im Rahmen der CO2-Gesetzes-
  • revision sind weitergehende Massnahmen und Lenkungsinstrumente wie eine Flugticket- oder CO2-Abgabe auf Brenn- und Treibstoffe überfällig.
  • Aus der Schweiz getätigte Investitionen müssen sich an der Agenda 2030 sowie den Verpflichtungen des Pariser Übereinkommens ausrichten. Die Schweizerische Nationalbank, die Pensionskassen sowie sämtliche Investoren und Akteure des Finanzplatzes müssen ihre Portfolios entsprechend anpassen.
  • Die Schweiz muss einen fairen Beitrag an die internationale Klimafinanzierung leisten. Gemäss Wirtschaftsstärke und Klimaverantwortung muss dieser mindestens 1 Milliarde Franken pro Jahr betragen.
  • Die Unterstützung von internationalen Klimaschutzmassnahmen muss verursachergerecht und sozialverträglich, sowie zusätzlich zum bestehenden Budget für Entwicklungszusammenarbeit finanziert werden.
  • Sämtliche Massnahmen müssen die menschenrechtlichen Verpflichtungen respektieren, gendersensitiv ausgestaltet sein und dem Leitprinzip der Agenda 2030 folgend sicherstellen, dass niemand zurückgelassen wird (leave no one behind).
Die Agenda 2030 und ihre 17 Ziele

Mit der Agenda 2030 und ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) hat sich die Staatengemeinschaft 2015 auf eine Zukunftsvision einer Welt in Frieden geeinigt, in der niemand Hunger leiden muss, die Ökosysteme an Land und im Wasser geschützt sind und Konsum und Produktion die planetaren Grenzen nicht überschreiten. Das ebenfalls 2015 verabschiedete Pariser Klimaübereinkommen schafft eine wichtige Voraussetzung dafür. Die enge Verknüpfung dieser beiden Abkommen zeigt sich auch darin, dass die Klimaziele von Paris im SDG 13 integriert wurden.

Weiterführende Informationen:

Die offizielle Anlaufstelle des Bundes für Informationen zur Agenda 2030:  www.agenda2030.admin.ch 

Für weitere Informationen zum Pariser Klimaübereinkommen: https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/klima–internationales/das-uebereinkommen-von-paris.html