Herausforderung Monitoring und Fortschrittsbericht

Die Agenda 2030 legt mit den 17 SDGs nicht nur die Ziele fest. Sie definiert auch, wie diese gemessen werden und wie der Stand der Umsetzung überprüft wird. Die Überprüfung beruht auf Freiwilligkeit und soll im besten Fall die Umsetzung der Agenda kritisch reflektieren. Doch wie sich zeigt, sind die Staaten insbesondere daran interessiert auf der globalen Bühne ihre Fortschritte ins Scheinwerferlicht zu stellen und den konkreten Handlungsbedarf auszuklammern.

Einzelne Länder – z.B. Norwegen und Finnland – räumen der Perspektive der Zivilgesellschaft in ihren Fortschrittsberichten direkt Platz ein. Andere Länder – z.B. Österreich – erarbeiten den Bericht unter Einbezug zivilgesellschaftlicher Vertreter:innen. Auch in der Schweiz wurde zur Partizipation angeregt. Der Bundesrat hat im Sommer 2021 zu einer gross angelegten Bestandesaufnahme aufgerufen und interessierte Akteur:innen konnten ihre Analyse zum Stand der Umsetzung in einem aufwändigen Prozess einbringen. Allerdings wurden sie für den weiteren Prozess der Interpretation dieser Daten nicht einbezogen, was einige Fragen aufwirft. Für die Erarbeitung des nächsten Länderberichts der Schweiz erwarten wir einen aktiven Einbezug der zivilgesellschaftlichen Akteur:innen.  

Eine einheitliche, international vergleichbare und objektive Fortschrittsmessung erweist sich als grosse Herausforderung. Die SDGs und ihre Unterziele variieren stark in ihrer Formulierung und ihrem Grad an konkreten Vorgaben. Bei gewissen Zielen war es daher einfach, Indikatoren festzulegen. Die Eliminierung von Armut und Hunger beispielsweise sind klar definiert. Für andere Ziele hingegen liegen zwar Indikatoren vor, doch keine anerkannte Methodik, wie sich diese messen lassen. Beispiele hierfür sind die Reduktion der unlauteren Finanzflüsse (SDG 16.4) oder die Verbesserung der Politikkohärenz (SDG 17.14).

Die Schweiz verfügt mit MONET 2030 über ein eigenes Monitoringsystem für nachhaltige Entwicklung. Es dient der Bundesverwaltung als Grundlage für ihren Länderbericht. Auch wenn es in den letzten Jahren verstärkt internationale Verantwortung und Rohstoffverbrauch im Ausland abbildet, weist es noch beträchtliche Lücken auf.

Ein Grundproblem liegt in der ungenügenden Übersetzung der SDGs und ihrer Unterziele in die nationale Politik. Der Bundesrat verwässerte in seiner Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 zahlreiche SDGs. Statt die Armut in der Schweiz zu halbieren, wie es SDG 1.2 verlangt, will der Bundesrat lediglich die Armut reduzieren. Bei anderen SDGs sind die gewählten Indikatoren nicht geeignet, die Zielsetzung tatsächlich zu messen. So gibt das SDG 17 Ziele vor für gerechte Handelssysteme, Wissens- und Technologieaustausch, verbesserte Politikkohärenz oder die Unterstützung ärmerer Länder mit Entwicklungsgeldern. Gemessen wird die Schuldenquote in der Schweiz, die Höhe der Entwicklungsgelder sowie die Direktinvestitionen aus der Schweiz in Entwicklungsländer. Diese Indikatoren erfassen zentrale Aspekte des SDG 17 nicht – beispielsweise ob Handelssysteme gerechter werden oder die Politikkohärenz verbessert wird – oder leisten lediglich die Nabelschau, ohne die Frage zu beantworten, inwiefern private Akteure aus der Schweiz zu einer weiteren Verschuldung in Entwicklungsländern beitragen oder ob Direktinvestitionen nachhaltige Projekte fördern oder das Klima weiter anheizen. Für ein international vergleichbares Monitoring, das tatsächlich den Fortschritt hin zu den SDGs misst, ist eine Überarbeitung von MONET 2030 notwendig.      

Die Agenda 2030 verspricht, niemanden von nachhaltiger Entwicklung auszuschliessen und zurückzulassen – «leave no one behind». Bislang fehlt es in der Schweiz und international an einer ausreichenden Datenlage, um erfassen zu können, wer zurückgelassen wird. Die Agenda 2030 fordert entsprechend ein, die Daten jeweils nach Einkommen, Geschlecht, Alter, Ethnizität, Migrationsstatus, Behinderung, geografischer Lage und ev. weiteren relevanten Merkmalen aufzuschlüsseln. Diese Desaggregierung der Daten hilft zu erkennen, welche Menschen oder Menschengruppen bislang von nachhaltiger Entwicklung und dem Zugang zu Grundrechten wie Bildung oder Gesundheit ausgeschlossen sind. Ohne diese Daten und entsprechende Strategien und Massnahmen, riskieren wir, dem Grundsatz der Agenda 2030 niemanden zurückzulassen, nicht nachzukommen.  In der Schweiz und in der schweizerischen internationalen Zusammenarbeit werden Daten erst ungenügend aufgeschlüsselt.

Schassmann Eva
Autor:innen

Eva Schmassmann

In Zusammenarbeit mit Laura Ebneter, Alliance Sud und Mirjam Gasser, CBM Schweiz

Weiterführende Literatur