Klimagerechtigkeit für die Ärmsten

2. Jun 2021 | Gastbeitrag

Die Ärmsten tragen am wenigsten zur Klimaerwärmung bei, spüren die Folgen der Klimaveränderung aber am deutlichsten. Es braucht Klimagerechtigkeit. Dazu muss die Schweiz ihre Wirtschaft klimaneutral und sozialverträglich ausgestalten. Gleichzeitig muss sie die Länder im Globalen Süden stärker unterstützen, damit sie sich emissionsarm und nachhaltig entwickeln und besser an die negativen Folgen der Erderhitzung anpassen können.

Materieller Wohlstand, Energieverbrauch und der Ausstoss von Treibhausgasen sind auf der Welt höchst ungleich verteilt. Die Schweiz gehört zu den wohlhabendsten Ländern. Unser Lebensstil benötigt viel Ressourcen und Energie. Entsprechend verursachen Schweizerinnen und Schweizer im Durchschnitt viele Treibhausgase und tragen dadurch zum globalen Klimawandel bei.

Seit 1990 gelang es, die Treibhausgase in der Schweiz um 14 Prozent zu senken. Doch während unser Fussabdruck im Inland etwas kleiner wird, wächst er im Ausland. Dies, weil unser Lebensstandard in grossem Umfang auf günstigen Importen aus anderen Ländern beruht. Die Schweiz verursacht dadurch klimaschädliche «graue Emissionen» jenseits ihrer Landesgrenzen. Mittlerweile entsteht der grösste Teil der schweizerischen Umweltbelastung ausserhalb unseres Landes: Weil die Schweiz rohstoff- und energieintensive Industrien längst ausgelagert hat, und wir unsere Kleider und elektronischen Geräte aus ärmeren Ländern mit niedrigen Löhnen importieren. Weil wir unsere ausrangierten und kaputten Autos verschiffen und in die verstopften Städte in Libyen und Togo, Benin und Nigeria schicken. Weil wir vergleichsweise häufig fliegen, und weil unser Fleischkonsum einen klimaschädlichen Futteranbau in Entwicklungsländern mit sich bringt.

Hinzu kommt der schweizerische Finanzmarkt: Banken und Versicherungen, Pensionskassen und private Investoren setzten nach wie vor mit Milliarden auf den zukunftsraubenden Kohleabbau und die zerstörerische Erdölindustrie. Will die Schweiz die Klimaziele des Pariser Klimaübereinkommens erreichen, dann muss der hiesige Finanzplatz endlich seinen Anteil dazu beitragen.

Ungleiche Verursachung des Klimaproblems

Global betrachtet gehört die Schweiz bezüglich CO2-Verursachung pro Person zu den klimaschädlichsten Ländern. Nur Staaten wie die USA und Kanada, Singapur und Hongkong, die Golfstaaten und Australien stehen noch schlechter da. Besonders dramatisch ist ein Vergleich mit Ländern in Subsahara-Afrika:

  • Der Treibhausgas-Fussabdruck der Schweiz liegt laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) mit rund 14 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Person deutlich über dem europäischen Durchschnitt.
  • Der schweizerische Fussabdruck ist mehr als doppelt so gross wie der weltweite Durchschnitt von knapp 6 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Person.
  • Die meisten Staaten Afrikas stossen pro Kopf und Jahr weit weniger als 1 Tonne Treibhausgase in die Atmosphäre.

Klimagerechtigkeit schaffen

Die Ärmsten tragen am wenigsten zur Erderwärmung bei, spüren die Folgen der Klimaveränderung aber am deutlichsten. Weder verfügen sie über die nötigen Mittel und Kapazitäten, um sich vor Dürren, Sturzfluten und Hurrikanen zu schützen, noch können sie auf eine soziale Absicherung, auf Versicherungsleistungen oder anderweitige Entschädigungen zurückgreifen.

Die Schweiz ist Teil des weltweiten Klima-Problems. Künftig muss es darum gehen, dass die Schweiz ihre globale Verantwortung anerkennt und Teil der Lösung im Kampf gegen die Klimakrise wird. Die Schweiz muss Klimagerechtigkeit verwirklichen, indem sie erstens ihren eigenen CO2-Ausstoss drastisch senkt und zweitens die ärmeren und klimaexponierten Länder im Globalen Süden unterstützt. Gestoppt wird die globale Erwärmung erst, wenn es die Länder gemeinsam schaffen, unter dem Strich keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre zu entlassen. Damit das 1,5 Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens eingehalten wird, müssen sämtliche Staaten in den kommenden 30 Jahren konsequent aus der klimaschädlichen fossilen Energie aussteigen. Damit dies weltweit gelingen kann, sind ärmere und klimaexponierte Länder auf Unterstützung reicher Länder wie der Schweiz angewiesen.

Unterstützung für den Globalen Süden

Die Schweiz muss nebst der Entwicklungshilfe für die Armutsbekämpfung zusätzliche Unterstützung für den Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitstellen – für erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien, Waldaufforstung und Moorschutz oder saubere Wertschöpfungsketten.

Die Schweiz muss zusätzliche Unterstützung leisten, damit sich die ärmsten Menschen an die verheerenden Folgen der Klimakrise anpassen können – mittels dürreresistentem Saatgut und wassersparenden Bewässerungsmethoden in der Landwirtschaft oder Küstendeichen und Wasserreservoirs, damit sich die Menschen besser vor Hochwasser beziehungsweise Trockenheit schützen können.

Und die Schweiz muss, gemeinsam mit fossilen Energiekonzernen und klimaschädlichen Unternehmen, erlittene Schäden durch Klimakatastrophen und Verluste von Existenzgrundlagen in den ärmsten und klimaexponierten Ländern im globalen Süden entschädigen.

 

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf der Webseite von Caritas veröffentlicht.

Bildnachweis: Bangladesh Red Crescent, Bangladesh, Sirajganj, Aug 2020, CC BY-NC

Dominik Gross
Patrik Berlinger

Fachstelle Entwicklungspolitik, Caritas Schweiz

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