Finanzen & Nachhaltigkeit in den Fokus der Politik rücken

13. Mrz 2020 | Aktualität, Ressourcen

Das neue Parlament muss sich vermehrt um Finanzen & Nachhaltigkeit kümmern. Subventionen und Investitionen in umweltschädigende Aktivitäten müssen schnell aufhören. Diese Finanzströme müssen in zukunftsfähige Sektoren fliessen.

Die Schweiz bekennt sich zur Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Die Klima- und Frauenwahl 2019 zeigt zudem, dass die Schweizer Bevölkerung sich für die konsequente Verfolgung deren Ziele stark macht.

Die Umsetzung der Agenda 2030 braucht nicht nur mehr staatliche Investitionen, sondern auch mehr nachhaltige Investitionen vom Privatsektor. Und vor allem braucht es weniger Investitionen in Sektoren, die den Nachhaltigkeitszielen zuwiderlaufen. Die bisherigen Anstrengungen der Schweiz dazu sind bei weitem ungenügend. Das Parlament muss dementsprechend in dieser Legislatur die Weichen umstellen.

In zahlreichen Bereichen besteht Handlungsbedarf, um Finanzströme zugunsten von Nachhaltigkeit umzulenken. Es folgen drei Themenfelder, die das gut veranschaulichen. 

Zukunftsgerichtete Subventionen statt kurzsichtiges Fördern

Der Schweizer Staat subventioniert zahlreiche Tätigkeiten, direkt oder indirekt, im Inland oder Ausland. Der Staat sollte aber nur dann eine Tätigkeit subventionieren, wenn sie zum Gemeinnutz beiträgt. Dabei entstehen aber Zielkonflikte. Zudem überleben Subventionen oft die eigentliche Daseinsberechtigung.

Der Staat sollte keine Tätigkeiten subventionieren, die mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung unvereinbar sind. Er soll Zielkonflikte zwischen den staatlichen Handlungen vermeiden. So setzt er öffentliche Ressourcen effizient ein und gewinnt an Glaubwürdigkeit. Deswegen gehört politische Kohärenz für nachhaltige Entwicklung zur guten Regierungsführung.

Die Luftfahrt bietet eindrückliche Beispiele von Subventionen, die den Zielen des Pariser Klimaübereinkommens direkt zuwiderlaufen. Denn für die Wissenschaft ist es klar: Netto-Null Emissionen in der Luftfahrt sind vor 2050 nur mit Null Luftfahrt zu haben. Die optimistischen Ankündigungen der Industrie ändern nichts daran.

Fliegen aus der Schweiz: Dreifach steuerbefreit

Wenn man aus der Schweiz über die Grenze fliegt, zahlt man keine Mehrwertsteuer. Das gilt sogar für Lieferanten von Firmen, die mehrheitlich internationale Flüge betreiben.

Die internationale Luftfahrt der Schweiz zahlt keine Mineralölsteuer, im Gegensatz zum Autoverkehr. Das gilt auch für Flüge im Inland, welche Anschlüsse, die Wartung oder Schulungen für die internationale Luftfahrt gewährleisten. Das Ergebnis: 2018 war 96% des Flugtreibstoffs in der Schweiz vom Mineralölsteuer befreit. Dadurch entgingen dem Bund 2017 Einnahmen von rund 1,7 Milliarden Franken. Mit einem Teil der Einnahmen aus der Steuer auf den restlichen 4% fördert der Bund wiederum die Luftfahrt in der Schweiz.

Die CO₂-Abgabe auf fossilen Brennstoffen soll Anreize für mehr Klimaschutz schaffen. Bis jetzt betrifft sie jedoch keine Treibstoffe und schont so nebst dem Autoverkehr auch die Luftfahrt. 

Beim Fliegen ist das Ticket Duty-free und das Tanken steuerfrei (Bild von b1-foto auf Pixabay)

Andere Subventionen für die Luftfahrt sind schwieriger zu erfassen. Flughäfen sind beispielsweise meistens im Staatsbesitz und erhalten oft Zuschüsse. Die Anstrengungen zur Rettung der wirtschaftlich unrentablen Flughäfen Bern und Lugano durch die Kantone zeigen das. Das Verteidigungsdepartement subventioniert sogar Flugplätze, die es nicht mehr verwendet. Der Bau von Passagierflugzeugen im Ausland ist auch subventioniert. All das verbilligt das Fliegen auf Kosten der Allgemeinheit.

Nicht nur die Luftfahrt

Die Luftfahrt ist ein Feld, in dem der Widerspruch zu den Nachhaltigkeitszielen besonders offensichtlich ist, aber nicht das einzige. Der Bund finanziert zum Beispiel die Absatzförderung Schweizer Fleischprodukte über die Branchenorganisation Proviande. Das heisst, er finanziert Werbung für Fleischkonsum.

Diese Beispiele zeigen es: Der Bund und die Kantone müssen alle Subventionen und Steuerbefreiungen im Lichte der Agenda 2030 prüfen. 

Die Anlagen der Nationalbank

Viele Anlagen der Schweizerischen Nationalbank sind nicht mit den Nachhaltigkeitszielen kompatibel. Sie investiert zum Beispiel mehrere Milliarden Franken in Kohlekraftwerke und andere klimaschädliche Unternehmen. Die Nationalbank verantwortet durch ihre Anlagen CO₂-Emissionen in der Grössenordnung der Gesamtemissionen innerhalb der Schweiz.

Dieser Zustand ist unhaltbar. Die Nationalbank wehrt sich aber dagegen, ihre Anlagepolitik neu zu orientieren. Sie könne nicht gesellschaftspolitische Ziele anstreben; dies würde die Geldpolitik unglaubwürdig machen. Nachhaltigkeit mit den eigenen Anlagen zu fördern, soll also mit dem gesetzlichen Auftrag der Nationalbank inkompatibel sein. Es stimmt zwar schon, dass nur eine von der Politik unabhängige Zentralbank Preisstabilität gewährleisten kann. Dabei geht es aber vor allem darum, dass hohe Inflation droht, wenn eine Regierung für sich selbst Geld drucken kann. Und das ist in der Schweiz kein Thema. 

Die praktischen Hürden einer besseren Anlagepolitik werden also übertrieben. Die Nationalbank hat nämlich schon jetzt Ausschlusskriterien: Sie erwirbt «keine Aktien von Unternehmen, die grundlegende Menschenrechte massiv verletzen, systematisch gravierende Umweltschäden verursachen oder in die Produktion international geächteter Waffen involviert sind.»

Die Schweizer Nationalbank hat bereits vorsichtige Ausschlusskriterien zu Menschenrechten und Umwelt (Bild von Juerg.hugCC BY-SA)

Die Nationalbank muss ihre Ausschlusskriterien schrittweise verschärfen. So kann sie die Investitionen in Aktivitäten herunterfahren, die den Nachhaltigkeitszielen am klarsten zuwiderlaufen.

Mehr zu den Anlagen der Nationalbank

Pensionskassen legen nicht besser an

Die Schweizer Pensionskassen verwalten einen Teil der Ersparnisse der Bevölkerung. Leider investieren sie diese nicht in Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen. Sie investieren Milliarden in die Kohle-, Erdöl- und Erdgasindustrie. Das schadet der Umwelt und ist ein Risiko für die Sicherheit der Renten.

Die Ersparnisse der Versicherten tragen so zur Klimakrise bei. Auch, wenn sie das nicht wollen. Die Mobilisierung der Versicherten konnte jedoch nicht ausreichend Druck auf die Pensionskassen ausüben. Jetzt muss das Parlament handeln.

Transparenz bei nachhaltigen Anlagen

Der Bundesrat will Rahmenbedingungen schaffen, die es dem Finanzplatz erlauben, im Bereich nachhaltiger Finanzen wettbewerbsfähig zu sein. Die Bundesverwaltung prüft, ob hinsichtlich der Transparenz neue Regulierung notwendig ist.

Dabei verfolgt der Bundesrat zwei Ziele: Die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes und die Erreichung der Klimaziele. Die Anbieter grüner Investitionen haben jedoch die Anreize, ihre Produkte als möglichst grün anzupreisen und gleichzeitig teure Umweltschutzmassnahmen nur spärlich einzusetzen. In anderen Worten: Die Versuchung ist gross, die Etikette grüner als das Produkt zu machen. Das ist auch als Greenwashing bekannt. Die zwei Ziele des Bundesrates stehen also zum Teil im Konflikt.

Nur klare und strenge Standards können sicherstellen, dass Investitionen in als grün angepriesene Anlagen tatsächlich keine Geschäfte finanzieren, welche der Umwelt schaden.

Die EU geht gegen grünen Etikettenschwindel vor

Die EU hat den Handlungsbedarf erkannt. Sie verfügt bald über ein gemeinsames Klassifikationssystem für nachhaltige Anlagen. Die Prinzipien, wonach sich dieses System richtet, stehen schon fest. Diese beziehen sich vorerst exklusiv auf die ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit. Die Europäische Kommission wird die Details dieses Jahr ausarbeiten.

Die EU wird dann verbindlich festlegen, welche Geschäfte als ökologisch nachhaltig gelten. Denn private Investitionen, die für ökologisch nachhaltige Entwicklung mobilisiert werden, müssen unbedingt in grüne Wirtschaftstätigkeiten fliessen.

Schweizer Qualität auch bei grünen Anlagen

Die Schweiz muss ebenfalls Standards für grüne Investitionen adoptieren. Sie müssen mindestens so streng sein wie diejenigen der EU. Oder strenger, falls die EU ihre Standards verwässert. Es ist z.B. noch nicht ganz klar, ob Kernkraftenergie als grün gelten wird. Eine Bezeichnung als nachhaltige Investition darf es hingegen nicht geben, wenn die Nachhaltigkeit auf die ökologischen Aspekten reduziert ist.

Umwelt und Klimaschutz ohne Menschenrechte und sozialen Schutz zu denken, ist kontraproduktiv. Denn Massnahmen im ökologischen Bereich müssen sozial abgestützt sein, um legitim zu sein und dauerhaft zu wirken.

Die Schweiz darf nicht eine Insel sein, in der die Bezeichnung grüne Investition einfacher zu haben ist als in Nachbarländern. Sie darf nicht ein Paradies für Greenwashing werden. Die Schweiz soll im Gegenteil Vorreiterin sein und einen ganzheitlichen Ansatz in der Klassifizierung von nachhaltigen Anlagen an den Tag legen.

 

Autor Mario Leandros Huber unterstützt die Koordinationsstelle der Plattform Agenda 2030.

 

Zum Symbolbild Paradeplatz, Zürich, ganz oben: Ursprungsbild von Hansueli KrapfCC BY-SA, geschnitten, SDG-Logos hinzugefügt.

 

Dominik Gross
Mario Huber

Plattform Agenda 2030

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