Bestandsaufnahme zur Umsetzung der Agenda 2030: wo stehen wir?
Im nächsten Jahr präsentiert der Bundesrat der Weltgemeinschaft am UNO-Sitz in New York den Länderbericht zur Umsetzung der Agenda 2030. Derzeit führt der Bund eine Bestandsaufnahme durch, an der sich alle Akteure besteiligen können. Die Plattform Agenda 2030 und ihre über 50 Mitglieder nehmen konstruktiv am Prozess teil – und sagen, was gut läuft und wo besondere Anstrengungen notwendig sind.
Aus gutem Grund hat sich die Schweiz verpflichtet, die Agenda 2030 und ihre 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) umzusetzen. Mit Blick auf den Länderbericht 2026, den der Bundesrat im Rahmen der UNO anderen Ländern präsentieren wird, hat der Bund eine Bestandsaufnahme der Umsetzung der Agenda durchgeführt und Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie Kantone und Städte zur Mitwirkung aufgerufen. Die Plattform Agenda 2030 und ihre über 50 Mitglieder haben eine konsolidierte Beurteilung eingereicht. Darin legen sie eindrücklich das grosse Engagement der Zivilgesellschaft für ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit in der Schweiz und international dar. Wir begrüssen die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den Länderbericht durch eine eigene Seite, die ihr gewidmet sein wird.
In unseren Inputs unterstreichen wir die zentrale Rolle der Zivilgesellschaft im Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft dank der zahlreichen Aktivitäten der verschiedenen Organisationen. Gleichzeitig sind wir besorgt in Bezug auf den Mangel an politischer Kohärenz, die schwindenden Finanzmittel, die schrumpfenden Handlungsspielräume und die schwächelnde politische Unterstützung.
Ein zentraler Treiber für nachhaltige Entwicklung
Zivilgesellschaftliche Organisationen sind eng mit den Lebensrealitäten der Menschen verbunden und engagieren sich auf vielfältige Weise: mit (Pilot-)projekten, Sensibilisierungskampagnen, der Entwicklung und Verbreitung von Wissen, politischer Arbeit und Advocacy – alleine oder durch Netzwerke, Allianzen und Partnerschaften. Ihr Einsatz umfasst sämtliche SDG-Bereiche und spiegelt sich insbesondere in den drei Prioritäten der Schweizer Strategie Nachhaltige Entwicklung (SNE) wider:
- Nachhaltiger Konsum und Produktion: Unsere Mitglieder realisieren innovative Projekte in der Kreislaufwirtschaft, gegen Verschwendung und für Recycling. Sie setzen sich für faire Wertschöpfungsketten sowie für den Schutz der planetaren Grenzen ein, z.B. im Rahmen der Konzernverantwortungsinitiative.
- Klima, Energie und Biodiversität: Wir schützen Ökosysteme, fördern nachhaltige Energie, Effizienz und Suffizienz und unterstützen Gemeinschaften, die besonders stark von der Klimakrise betroffen sind. Die Plattform setzt sich für das Netto-Null Ziel ein und unterstützt entsprechende politische Anliegen, z. B. die Initiative für einen nachhaltigen Finanzplatz.
- Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt: ob im Kampf gegen Diskriminierung oder Armut, bei der Förderung der Inklusion, der Gleichstellung oder der Verteidigung des Prinzips „Leave no one behind“ – unsere Organisationen stehen an vorderster Front. Angesichts des gegenwärtig rauen sozialen und gesellschaftlichen Klimas ist das Engagement der Zivilgesellschaft umso wichtiger.
Mit Engagement und Beharrlichkeit setzen wir uns für Frieden, Menschenrechte und Demokratie ein. Wir verstehen uns als eine gestaltende Kraft für nachhaltige Veränderungen. Wir fördern inklusive Partnerschaften im Dienste des Gemeinwohls und stehen ein für einen lebendigen, demokratischen “civic space”.
Ein Engagement unter wachsendem Druck
Das wichtige zivilgesellschaftliche Engagement gerät zunehmend unter Druck und droht an Wirkung einzubüssen. Wir sehen drei zentrale Bedrohungen:
- Mangelnde politische Kohärenz: Die sektoralen Politiken agieren weiterhin stark in Silos, und Wechselwirkungen zwischen den Bereichen werden oft ignoriert. Es ist höchste Zeit, die Agenda 2030 als verbindlichen Leitfaden für alle staatlichen Politiken zu verankern. Dazu gehört ihre vollständige Integration in die Legislaturplanung, mehr Kohärenz zwischen Politikbereichen und die Berücksichtigung grenzüberschreitender Auswirkungen („spillover effects“). Die Zivilgesellschaft steht bereit, eine strukturierende und partnerschaftliche Rolle zu übernehmen – auch im strategischen Dialog mit den Behörden.
- Rückläufige Finanzierung: Während sich Krisen häufen, werden die Mittel für nachhaltige Entwicklung, internationale Zusammenarbeit, Klimaschutz und Forschung gekürzt – zugunsten einer massiven militärischen Aufrüstung. Strukturelle Reformen sind überfällig: eine an das BIP angepasste Schuldenbremse, der Abbau umweltschädlicher Subventionen und eine gerechte Finanz- und Steuerpolitik inklusive sozialer und verursachergerechter Abgaben.
- Verengung demokratischer Räume (“Shrinking Civic Space”): Informations- und Sensibilisierungsarbeit der NGOs wird eingeschränkt, das Verbandsbeschwerderecht kommt unter Druck und Einschüchterungsklagen durch Firmen und Personen (sog. “SLAPP”) nehmen zu.
Gemeinsam für einen klaren Kurswechsel
Wir freuen uns, dass die Zivilgesellschaft direkt in den Länderbericht («Voluntary National Review» oder VNR), der den UNO-Mitgliedstaaten vorgelegt wird, sowie in die verschiedenen Prozesse der Nachhaltigkeitspolitik eingebunden wird. Die Agenda 2030 ist ein gemeinschaftliches Projekt. Die zivilgesellschaftlichen Akteure verpflichten sich, Synergien mit Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung zu intensivieren, Netzwerke und den Austausch bewährter Praktiken zu stärken und eine integrative und bereichsübergreifende Beteiligung zu fördern.
Wir brauchen jedoch bessere Rahmenbedingungen und fordern daher die politischen Entscheidungsträger:innen auf:
- verbindliche Massnahmen zur Gewährleistung der Kohärenz der öffentlichen Politik mit den SDGs und der Nachhaltigkeitsstrategie zu verabschieden;
- die Errungenschaften in den Bereichen Klima, Umwelt, Gleichstellung, Inklusion und sozialer Zusammenhalt zu verteidigen, alle relevanten internationalen Protokolle zu ratifizieren und umzusetzen sowie ambitionierte und messbare Ziele mit zugänglichen Daten zu verfolgen;
- eine angemessene Finanzierung für die Aktivitäten der Zivilgesellschaft im Zusammenhang mit der Agenda 2030 sicherzustellen;
- zivilgesellschaftliche Räume zu schützen und auszubauen – durch die Gewährleistung der Meinungsfreiheit, der demokratischen Mitwirkung und der Unabhängigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Die Plattform Agenda 2030 vertritt diese Forderungen nicht nur im Rahmen des Länderberichts 2026, sondern auch in den Diskussionen rund um die „Post-2030“ Agenda. Ein integrierter und ganzheitlicher Ansatz der Nachhaltigkeitspolitik, finanzielle Unterstützung und die Sicherung des Civic Space sind unabdingbare Voraussetzungen, um gemeinsam eine gerechte und nachhaltige Welt aufzubauen.

Rianne Roshier
Plattform Agenda 2030