FfD4-Konferenz in Sevilla: Ein Schritt zu einer gerechteren Welt?
Vom 30. Juni bis 3. Juli fand in Sevilla die vierte Internationale Konferenz der Vereinten Nationen zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4) statt. Bereits im Vorfeld hatten sich die Staaten auf eine unzureichende Schlusserklärung geeinigt. Klare Antworten auf die zahlreichen globalen Krisen fehlten – und die in Sevilla getroffenen Entscheidungen blieben weit hinter den Forderungen der Zivilgesellschaft und des Südens zurück. Alliance Sud war vor Ort und gab laufend Einblick in die zentralen Themen. Weitere Informationen finden Sie im vollständigen Artikel.
Eine Konferenz der verpassten Chancen
Die Konferenz begann unter dem Schatten einer bereits ausgehandelten Abschlusserklärung – dem Compromiso de Sevilla –, die von Vertreter:innen der Zivilgesellschaft als völlig unzureichend kritisiert wurde. Die zentralen Forderungen des Globalen Südens – insbesondere bei der internationalen Schulden- und Finanzpolitik – wurden ignoriert. Trotz der akuten Lage, in der sich 68 überschuldete Entwicklungsländer befinden, wurden keine strukturellen Reformen beschlossen.
Die Schuldenkrise: grosse Worte, wenige Taten
Die Zahlen sprechen für sich: Im Libanon fliessen 88 % der Staatseinnahmen in den Schuldendienst; in 48 Ländern des Südens übersteigen die Zinszahlungen die Ausgaben für Gesundheit und Bildung. Das aktuelle System bevorzugt Gläubiger – meist aus wohlhabenden Ländern. Die renommierte Ökonomin Jayati Ghosh sprach von einem „Scheitern der Entwicklungspolitik“ und erinnerte daran, dass Deutschland 1954 selbst von einem umfassenden Schuldenerlass profitiert hatte. Sie formulierte fünf Prinzipien für eine gerechte Reform der Schuldenpolitik:
- Zeitlich begrenzte Verhandlungen (3–6 Monate) auf Augenhöhe,
- ein Zahlungsstopp während dieser Zeit (Moratorium),
- kein Bail-out privater Gläubiger,
- keine Sparprogramme unter IWF-Aufsicht,
- und fortbestehender Zugang zu Kapitalmärkten für überschuldete Staaten.
Trotz breiter Unterstützung wurden diese Vorschläge nicht in die Konferenzerklärung aufgenommen.
Globale Besteuerung: Zunehmender Druck auf Superreiche
Ein hochkarätig besetztes Panel, unter anderem mit der spanischen Vizepräsidentin und Finanzministerin María Jesús Montero und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, befasste sich mit der Besteuerung der Superreichen und Konzerne. Der Konsens: Die bestehenden Steuersysteme fördern Ungleichheit, unter anderem durch die systematische Steuervermeidung multinationaler Konzerne. Aminata Touré, ehemalige Premierministerin Senegals, betonte, dass Vermögen dort besteuert werden müssen, wo sie geschaffen werden. Afrikanische Länder fordern eine verbindliche UN-Steuerkonvention, um globale Steuerfairness zu gewährleisten.
Mobilisierung inländischer Ressourcen: Mehr Eigenverantwortung – aber wie?
Die sogenannte Mobilisierung inländischer Ressourcen (Domestic Resource Mobilization, DRM) soll Ländern des Globalen Südens helfen, ihre Abhängigkeit von finanzieller Unterstützung aus dem Ausland zu verringern. Doch Kapitalflucht und intransparente Finanzflüsse behindern den Aufbau gerechter Steuersysteme. Chennai Mukumba vom Tax Justice Network Africa warnte vor regressiven Steuermechanismen wie der Mehrwertsteuer, die arme Bevölkerungsgruppen überproportional belastet. Stattdessen braucht es eine globale, gerechte Steuerordnung, in der auch die Schweiz eine zentrale Rolle spielt.
Die Sackgasse des „De-Risking”
Ein dominierendes Schlagwort in Sevilla war erneut das sogenannte De-Risking – also die Absicherung privater Investitionen durch öffentliche Gelder. Daniela Gabor, Wirtschaftswissenschaftlerin und UN-Beraterin, kritisierte diese Strategie scharf: Sie habe nicht die versprochenen „Milliarden zu Billionen“ mobilisiert, sondern die Abhängigkeit des Südens von privaten Investoren verstärkt und die Staatlichkeit geschwächt.
Eine Alternative: Die „Naturbank”
Ein Hoffnungsschimmer kam von den kleinen Inselstaaten des Pazifiks, die existenziell von der Klimakrise bedroht sind. Mit der Development Bank for Resilient Prosperity (DBRP) – auch Naturbank genannt – wurde eine neue Vision für Entwicklung vorgestellt, die Natur als wirtschaftlichen Vermögenswert betrachtet: Mangroven, Wälder und nachhaltiger Tourismus als Finanzierungsquellen für Resilienz und lokale Wertschöpfung.
Zivilgesellschaft – engagiert, aber marginalisiert
Trotz hunderter paralleler Veranstaltungen war die Zivilgesellschaft in den ersten Tagen der Konferenz weitgehend von den offiziellen Gesprächen ausgeschlossen. In Zeiten, in denen der zivilgesellschaftliche Handlungsspielraum global immer stärker eingeschränkt wird, ist dies ein alarmierendes Signal seitens der UNO.
Fazit
Die FfD4 bot den Ländern des Globalen Südens und der Zivilgesellschaft eine wichtige Plattform, um Forderungen zu Schuldenerlass, Steuergerechtigkeit und wirtschaftlicher Selbstbestimmung zu bekräftigen. Doch die Realität bleibt ernüchternd: Mächtige Gläubigerinteressen, blockierende Staaten und ein veraltetes neoliberales Wirtschaftsmodell behindern echte Fortschritte. Die Mobilisierung geht weiter – mit dem Ziel eines verbindlichen UN-Steuerabkommens, einer fairen internationalen Schuldenpolitik und alternativer Entwicklungsansätze, die Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellen.
Bildnachweis: Alliance Sud