Die Schweiz und der 2. World Social Summit der UNO

5. Nov. 2025 | Aktualität, Institutionen, Ressourcen

Vom 4. bis 6. November wird eine Delegation die Schweiz am zweiten Weltgipfel für soziale Entwicklung (World Social Summit) vertreten. Die Plattform Agenda 2030 hat die Gelegenheit benutzt und Valérie Berset Bircher (SECO) und Claudina Mascetta (BSV) – beide Mitglieder der Delegation – für einen Austausch eingeladen. Hier ein Überblick über die wichtigsten Ergebnisse dieser Diskussion.

Ein Re-commitment zur Erklärung von Kopenhagen und zur Agenda 2030
30 Jahre nach dem ersten Weltgipfel für soziale Entwicklung in Kopenhagen (1995) treffen sich die UNO-Mitgliedstaaten im November in Doha, um ihre Verpflichtungen gegenüber den drei Säulen der sozialen Entwicklung zu bekräftigen: Armutsbekämpfung, produktive Beschäftigung und soziale Integration. Ziel des Gipfels ist es, bestehende Lücken zu schliessen, das Engagement der internationalen Gemeinschaft für die Erklärung und das Aktionsprogramm von Kopenhagen zu erneuern und neue Dynamik für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) – insbesondere ihrer sozialen Dimensionen – zu schaffen.
Die politische Erklärung, die die Staaten am Gipfel verabschieden sollen, ist rechtlich unverbindlich und wurde im Vorfeld in einem breiten Konsensverfahren ausgearbeitet. Neben der Bekräftigung der drei Grundsäulen befasst sie sich mit Querschnittsthemen wie Geschlechtergleichstellung und intergenerationelle Gerechtigkeit, gerechter und ökologisch tragfähiger Wandel (Just Transition), nachhaltige Nutzung künstlicher Intelligenz und von Digitalisierung sowie Fragen zur Finanzierung einer sozial gerechten Entwicklung.

Positionen und Prioritäten der Schweiz
Am Austausch der Delegation mit der Plattform Agenda 2030 und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft erläuterten Botschafterin Valérie Berset Bircher, Leiterin Internationale Arbeitsfragen (SECO), und Claudina Mascetta, Leiterin Internationale Organisationen (BSV) die Schwerpunkte der Schweiz in den Verhandlungen:

  • Menschenrechte und Gleichstellung der Geschlechter: Einsatz für eine klare Sprache und soziale Entwicklung auf Grundlage der durch das Völkerrecht garantierten Grundrechte.
  • Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit: verantwortungsvolle Unternehmensführung, Gewährleistung des sozialen Dialogs, Einhaltung internationaler Arbeitsnormen usw.
  • Sozialer Schutz: ausdrückliche Betonung seiner übergreifenden und zentralen Rolle in allen drei Säulen – Armutsbekämpfung, produktive Beschäftigung und soziale Integration.
  • Sichtbarkeit bestimmter Gruppen: Explizite Nennung von Menschen mit Behinderungen, Jugendlichen und Kindern sowie älteren Menschen, um deren spezifische Bedürfnisse stärker zu berücksichtigen.
  • Zivilgesellschaft und Sozialpartnerschaft: Förderung eines kooperativen Verhältnisses der Sozialpartner und Umsetzung der politischen Erklärung durch mehrere Akteure; die Schweiz legt Wert auf eine multipartite Delegation, in der die Zivilgesellschaft (u.a. mit Caritas), Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände vertreten sind.
  • Überwachung und Umsetzung der politischen Erklärung: regelmässige (alle 5 Jahre) und hochrangige Überwachung im Rahmen bestehender UNO-Foren und Mechanismen.

    Herausforderungen des Weltsozialgipfels
    Angesichts des derzeit stark unter Druck geratenen Multilateralismus und der Tatsache, dass Grundprinzipien wie Menschenrechte und Geschlechtergleichstellung von vielen Regierungen zunehmend infrage gestellt werden, betonen die Referentinnen die Grenzen des Gipfels. Anders als 1995 werden nur wenige Staats- und Regierungschef:innen teilnehmen, und die Erklärung bleibt ein Instrument des Soft Law, ohne Aktionsprogramm oder verbindliche Umsetzungsmechanismen.
    Dennoch gebe es ermutigende Signale: die einstimmige Vereinbarung, die Verpflichtungen von 1995 zu erneuern, sowie die Einrichtung eines regelmässigen Überwachungsmechanismus. Positiv hervorzuheben sei zudem, dass die im Compromiso de Sevilla (aus der UNO-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung FfD4 im Sommer 2025) genannten Massnahmen in die Gipfelerklärung aufgenommen und präzisiert wurden.

    Die Erklärung des Weltsozialgipfels in der Schweiz
    Die drei Säulen der sozialen Entwicklung dienen auch als Leitprinzipien für die Schweizer Innenpolitik. Die Referentinnen betonten die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit – nicht nur zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen, da viele Aspekte in die Zuständigkeit der Kantone fallen, sondern auch mit der Zivilgesellschaft, den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden.
    Nun gelte es, die internationale Erklärung bekannt zu machen und den Dialog zwischen allen Partnern neu zu beleben, um die Kohärenz und Wirksamkeit der auf nationaler Ebene durchgeführten Massnahmen zu stärken.

    Fazit
    Der zweite Weltgipfel für soziale Entwicklung bietet die Gelegenheit, soziale Fragen in den Mittelpunkt des Multilateralismus zu rücken und daran zu erinnern, dass die Verwirklichung der SDGs ein kollektives, koordiniertes Engagement erfordert.
    In der Schweiz wie auch anderswo spielt die Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle, um politische Absichtserklärungen und Vereinbarungen in konkrete Massnahmen und Aktivitäten umzusetzen, die Kohärenz der öffentlichen Politik zu fördern und einen gerechten, inklusiven und nachhaltigen Wandel (Just Transition) zu unterstützen.
    Es bleibt zu hoffen, dass dieser Gipfel den Bemühungen zur Erreichung der SDGs neuen Schwung verleiht und die soziale Entwicklung wieder zu einer gemeinsamen Priorität macht.

    Portrait Rianne Roshier
    Rianne Roshier

    Plattform Agenda 2030

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