Ein globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung – zwischen Ambition und Blockade

18. Sep. 2025 | Aktualität, Gastbeitrag

Die internationalen Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen sind in Genf vorerst gescheitert. Zwischen ambitionierten Staaten, die klare Reduktionsziele fordern, und mächtigen Blockierern wie den Erdölstaaten gibt es kaum Annäherungen – und damit wächst die Gefahr, dass das Abkommen am Ende scheitert oder schwach und wirkungslos bleibt.

Plastik ist allgegenwärtig: in Verpackungen, Crèmes, Kosmetik, Lebensmitteln, Textilien, Elektronik – und zunehmend auch in unserer Umwelt. Mikroplastik wird in den entlegensten Regionen nachgewiesen, von den Tiefen der Ozeane bis in die menschliche Blutbahn. Angesichts dieses globalen Problems beschlossen die Mitgliedstaaten der UN-Umweltversammlung (UNEA) im März 2022, bis 2024 ein rechtsverbindliches Abkommen zur Beendigung der Plastikverschmutzung auszuhandeln. Ziel ist ein „Plastic Treaty“ – bzw. ein «binding instrument on Plastic Pollution» – der den gesamten ‘Lebenszyklus’ von Plastik berücksichtigt – von der Produktion über den Konsum bis hin zur Entsorgung.

Hohe Erwartungen, schwierige Verhandlungen
Doch der Weg dorthin ist steinig. Die jüngsten Verhandlungsrunden, insbesondere die 5. Diskussionsrunden in Korea («INC-5») und in Genf («INC-5.2»), haben deutlich gemacht, wie tief die Gräben verlaufen: Auf der einen Seite kämpft eine Koalition von über 100 ambitionierten Staaten für verbindliche Reduktionsziele für Plastikproduktion und -konsum. Auf der anderen Seite blockieren erdöl- und gasproduzierende Länder – allen voran die Golfstaaten, aber auch die USA – klare Vorgaben und griffige Massnahmen. Für sie ist Plastikproduktion ein zentraler Wirtschaftsfaktor, weshalb sie Entschädigungszahlungen oder schwache Regelungen einfordern.

Besonders strittig ist die Frage nach dem Entscheidungsverfahren. Während die Schweiz und 85 weitere Staaten ein Mehrheitsprinzip befürworten, um Blockaden zu verhindern, bestehen Länder wie Saudi-Arabien, Brasilien, Russland, Indien und China auf dem Konsensprinzip. Ohne diese Änderung droht das Abkommen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert und damit praktisch wirkungslos zu werden.

Forderungen der Zivilgesellschaft
Für Umweltorganisationen wie Friends of the Earth International (FoEI) ist klar: Nur ein ambitioniertes, verbindliches Abkommen kann Wirkung entfalten. Sie fordern globale Reduktionsziele, ein Ende der Subventionen für die Petrochemie und ein schrittweises Auslaufen aller schädlichen Plastikpolymere und -produkte. Recycling allein reiche nicht – stattdessen müsse die „Reuse Revolution“ gefördert werden: Wiederverwendung, Reparatur und alternative Vertriebssysteme. Zudem müsse die Ausfuhr von Plastikmüll aus dem Globalen Norden in ärmere Länder gestoppt werden, um „Müllkolonialismus“ zu verhindern.

Auch die Rolle transnationaler Konzerne steht im Fokus. Marken wie Nestlé, Coca-Cola oder Unilever tragen massiv zur Plastikverschmutzung bei, ohne bisher wirksam in die Pflicht genommen zu werden. FoEI fordert daher direkte Verpflichtungen für Unternehmen, ähnlich wie es das Rahmenwerk der WHO im Kampf gegen die Tabakindustrie vorsieht. Darüber hinaus müsse der Vertrag eine menschenrechts-basierte Perspektive verankern: Besonders betroffene Gruppen – von indigenen Gemeinschaften bis zu Abfallsammler*innen – dürften nicht die Hauptlast der Transformation tragen, sondern müssten unterstützt und entschädigt werden.

Ein wirksames Plastikabkommen wäre zugleich ein zentraler Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030: Es betrifft nicht nur Ziel 12 (nachhaltiger Konsum und Produktion), sondern auch den Schutz von Klima (Ziel 13), Meeren (Ziel 14) und Landökosystemen (Ziel 15).

Wie weiter?
Nach dem Scheitern von INC-5.2 steht die internationale Gemeinschaft vor einer Weggabelung. Drei Szenarien sind denkbar:

  1. „Mehr vom Gleichen“ – weitere Runden mit der Gefahr, dass nur ein schwaches Abkommen entsteht.
  2. „Koalition der Willigen“ – eine Gruppe ambitionierter Staaten geht voran und etabliert einen Vertrag, dem andere später beitreten können.
  3. „Auf bestehenden Abkommen aufbauen“ – etwa durch ein Protokoll unter der Basler Konvention, die bereits Teile des Plastikproblems adressiert. Allerdings sitzen auch hier die Blockierer mit ihm Boot.

Welche Richtung sich durchsetzt, ist derzeit offen. Klar ist jedoch: Ein schwaches Abkommen wäre schlimmer als gar keines, weil es den Anschein von Fortschritt erwecken würde, ohne echte Veränderungen zu bewirken. Damit steht das Plastikabkommen auch im direkten Zusammenhang mit der Agenda 2030: Ohne eine drastische Reduktion von Plastikproduktion und -verschmutzung sind gleich mehrere Nachhaltigkeitsziele – von Klima über Biodiversität bis Gesundheit – nicht erreichbar.

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Foto: © Bo Eide

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